Tabakgenuss und Couleurstudententum
Kaum eine Pflanze erlebte solch ein gravierendes Werturteil wie der Tabak.
Mit der Entdeckung der Neuen Welt erreicht der Tabak Europa. Er wird zunächst
als Wunder-Heilpflanze gepriesen. Der Arzt Jean Nicot (1530-1600) verleiht ihm
seinen Namen.
Heute wird Tabak und das in ihm enthaltene Nikotin beinahe als Generalübel
und gesundheitlicher "Staatsfeind Nr.1" angesehen. Die unschuldige
Pflanze ist ein Genußmittel wie jedes andere auch. Auch die anerkannten
Gesellschaftsdrogen, Alkohol und Koffein, sind im Übermaß gesunheitsschädlich.
Problem ist also nicht der Tabak, sondern allein unser Umgang damit. Wie bereits
Teophrastus Bombaustus von Hohenheim, genannt Parcelsus in seiner dritten Defensio
1538 erklärt: "Allein die Dosis macht das Gift."
Der Pfeifen- und Zigarrenraucherzirkel der K.Ö.t.St.V. Ivaria versteht
sich daher als Kreis von Freunden des qualitativen, maßvollen und kultivierten
Rauchgenusses. Studentische Vereinigungen und der Tabakkonsum beginnen schon
früh ein inniges Verhältnis. Durch Seeleute und Soldaten verbreitet
sich das "Rauchtrinken" Anfang des 17. Jhs. auch an den Universitäten.
Die stimulierende Wirkung des Tabaks scheint unter den Studiosi sofort Anklang
gefunden zu haben. Der als "Knaster" bezeichnete Tabak wird gar dem
von Musen geleiteten Gott Apoll zugeschrieben. Damit kann der Rauchgenuss den
irdischen Musensöhnen nur recht sein.
Bei den Hospitia genannten Kneipereien darf Tabak und die damals als Rauchgerät
dienenden, langstieligen, weißen Tonpfeifen nicht fehlen. Studentische
Zusammenkünfte wurden von der Obrigkeit scharf überwacht. Die Einladungen
erfolgten verschlüsselt.
FID. IBUS
S. D. N.
H. h. VII. a. i.m. m.
H. n. Et c. A v. s.
Fidelibus fratribus salutem dicit N. (hospes). Hodie hora septima apparebitis
in museum meo. Herba nicotiana et cervisis abunde vobis satisfaciam. Die fidelene
Brüder grüßt N. als Gastgeber. Heute, abends um 7 Uhr, erscheint
in meinem Zimmer, da werde ich Euch mit Tabak und Bier im Überfluß
aufwarten.
Die verfänglichen Zettelchen, die Fidibusse, dienten als Anzünder
für die Pfeifen. Keiner darf, wenn er den Hospes nicht beleidigen will,
Pfeife und Tabak selbst mitbringen. Der Hospes sorgt für alles nötige
und kommandiert den Rauchgenuss: Generaldampf (alle Rauchen); Holländer
machen (alle Rauchen ihre Pfeifen leer).
Mit dem Auftreten der Gesteckpfeife mit Porzellankopf, Anfang des 19. Jh.s,
findet die studentische Zierfreude ein neues Objekt. Verbindungswappen, studentische
Szenen, Silhouetten und Ansichten der Studienorte finden als Motive Verwendung
und machen die Studentenpfeifen zu einem beliebten Sammelobjekt. Im Vormärz
wird die Pfeife nicht nur durch ihren Bildschmuck (Schwarz - rot goldene Farben
oder z.b. Bilder bekannter Revolutionäre) sondern auch durch das bewusste
Übertreten des geltenden öffentlichen Rauchverbots zum politischen
Manifestationsobjekt.
In der zweiten Hälfte des 19. Jh.s beginnt die Zigarre die angestammte
Porzellangesteckpfeife langsam in der Beliebtheit bei der studentischen Jugend
zu Verdrängen.
Kneipe d.h. Cervisia und Rauchgenuss bleiben trotzdem in der studentischen Fidulität
eng verwoben. So heißt es in einem Studentenlied: "Hat nun ein jeder
sein Pfeifchen Knaster angebrannt so nimmt er wiederum sein Glas zur Hand"
Wir wollen es weiter so halten!